Weitaus schlechter als unseren Gartenvögeln geht es den Vogelarten und anderen Bewohnern der Feldfluren und des Offenlandes. Mit der Einführung der modernen, industriemäßigen Bewirtschaftung der Ackerflächen wurden ehemals kleingliedrig strukturierte und artenreiche Agrarlandschaften ausgeräumt. Seit Jahren dominiert auf den Feldern der großflächige Anbau von Raps und Mais für die Herstellung von Biogas oder Benzin.
Das Resultat ist eine mit Monokulturen ausgestattete „Agrarsteppe“ mit riesigen Flächen bis zum Horizont. Mit dieser Art Landnutzung und durch eine systematische (Über-) Düngung sowie dem flächendeckenden Einsatz von Pflanzenschutzmitteln (auch Glyphosat!) verfolgt man das Ziel, höhere Erträge zu erreichen, um die Bedürfnisse der Konsumenten zu befriedigen. Dazu wurde es auch notwendig, mit schwerer Technik zu operieren.
Der „Mutter Erde“ wurde sprichwörtlich mit aller Gewalt der „Allerwerteste“ aufgerissen. Artenreichen Kleinbiotope; wie Feldraine, Wegsäume, Buschgruppen, naturnahe Bäche und Gräben, Feldgehölze und Feldsteinhaufen; die wertvolle Brut-, Ruhe- und Schutzräume sowie Pufferzonen und Nahrungsquellen, Trink- und Badestellen für alle Feldbewohner darstellen, fielen so den modernen Wirtschaftsmethoden zum Opfer.
Auf Wiesen und Grünland wurden durch den Anbau von effektiveren Grassorten ökologisch wertvolle Wildstauden und andere Pflanzengesellschaften verdrängt. Die ehemals vorherrschende biologische Vielfalt in Flora und Fauna bekam nun noch die chemische oder – was diese nicht schaffte – die mechanische Keule zu spüren. Durch diese Eingriffe brach ein Glied nach dem anderen aus der Nahrungskette aller Tiergesellschaften weg.
Damit aber noch nicht genug, denn die Mahd auf Wiesenflächen konnte zeitlich vorverlegt werden. Wiesenvögel sind fast ausnahmslos Bodenbrüter und ihre Balz- und Brutzeit fällt nun einmal in diesen Zeitraum. Für die „Kolosse aus Eisen und Stahl“, die dann übers Land herfallen, ist es ein Kinderspiel Insektengruppen, Vögel, Säugetiere und alles was noch so kreucht und fleucht hinweg zu sensen.
Feldlerchen, Wachteln, Fasane, Rebhühner, Kiebitze und andere Arten dieser Lebensräume bekommen das seit Jahren zu spüren. Am Ende droht ihnen, wie z.B. vor ein paar Jahrzehnten der Großtrappe und dem Triel das gleiche Schicksal, nämlich das Aus!
Hamster und Feldhasen kennen unsere Kinder heute nur noch aus Büchern oder Märchen. Greifvögel, wie Mäusebussard, Rot- und Schwarzmilan, Korn-, Wiesen- und Rohrweihen, Turm-, Baum- und Wanderfalke, sowie einige Eulenarten mussten ihr Jagd- und Fressverhalten den neuen Gegebenheiten anpassen und kommen mit dem Futterangebot so recht und schlecht über die Runden.
Vogelarten der Offenlandschaften – wie Gold- und Grauammer, Braun- und Schwarzkehlchen, Wiesen- und Brachpieper, Schafstelze, Neuntöter oder Brachvogel und Wachtelkönig, um nur einige zu nennen – sind fast ausnahmslos Insektenfresser. Für sie ist der Tisch auch nicht mehr so reichlich gedeckt und ihre Zukunft sieht ebenfalls nicht gerade rosig aus. Dazu besteht noch für die typischen Grünlandbewohner aus o.g. Gründen ein permanenter Brutplatzmangel.
Zu all diesen Widrigkeiten kommen noch die lauernden Gefahren für unser Vögel auf ihren Zugwegen in die Winterquartiere und zurück. So werden in einem Jahr durch die illegale Jagd in den gesamten Mittelmeerländern – inklusive EU-Staaten – insgesamt über 20 Millionen Vögel (!) geschossen oder mit Stellnetzen und anderen Fanggeräten brutal ermordet! Laut einer internationalen Statistik, die im Magazin für Vogelbeobachtung „Vögel“ vom August 2017 veröffentlicht wurde, sind es vor allem:
Nordafrika 6,0 Mio Einzelvögel (davon allein Ägypten mit über 5 Mio)
Syrien 4,0 Mio
Libanon 2,5 Mio
Italien (EU) 5,0 Mio
Zypern (EU) 2,2 Mio
Dies sind die Haupttäter. Kroatien, Albanien, Malta, Griechenland und Spanien mit weitaus weniger Vogelmorden können sich aber auch nicht gerade mit Ruhm bekleckern.
Wenn in Schurkenstaaten Nordafrikas und des Nahen Ostens viele dieser Vogelopfer in den Kochtöpfen der notleidenden Bevölkerung landen, kann man das unter Umständen noch verstehen.
Es gibt aber seit Langem schon internationale Richtlinien, Gesetze und Abkommen zum Schutze von wildwachsenden Pflanzen und freilebenden Tieren. Von Politikern der betreffenden Staaten wurden diese auch unterzeichnet. Aber bei der Umsetzung der Richtlinien wird bei den zuständigen Behörden zu oft hinweggeschaut oder diese kriminellen Machenschaften werden toleriert. Beim illegalen Handel mit der „Vogelbeute“ und der Bekämpfung der Korruption in diesen Ländern sind Polizei und Justiz zu oft hilf- und hoffnungslos überfordert.
Abstoßend und sittenwidrig dagegen ist aber auch, dass heute noch in europäischen Ländern zum Freizeitvergnügen Vögel illegal gejagt werden! Und als hochgradig pervers kann man es bezeichnen, wenn in der westlichen Welt superreiche, so genannte Gourmets in Fünf-Sterne-Luxusrestaurants 150 € auf den Tisch blättern, um einen Ortolan *) genüsslich zu verzehren!
Eine vollkommene Symbiose zwischen Menschheit und Vogelwelt hat es sicherlich in keiner Entwicklungsperiode des Menschen gegeben. Dennoch existierte bis vor Jahren noch eine weitaus höhere Arten- und Individuen-Vielfalt. Heute sind wir davon weit entfernt.
Unseren nachfolgenden Generationen sind wir es jedoch schuldig, noch das zu bewahren, was es noch zu bewahren gibt, um ihnen einen lebenswerten Naturhaushalt zu überlassen. Einen kleinen Lichtblick dazu gibt es schon, denn eine EU-Richtlinie legte fest, dass in der Landwirtschaft 5% der Agrarflächen aus der Nutzung genommen werden müssen, um der Natur wieder etwas mehr Raum zur Entfaltung zu geben. Wenn sich dazu die moderne Industrie- und Wohlstandsgesellschaft heute noch besinnt und in Zukunft wieder lernt, mit anstatt gegen die Umwelt zu agieren, ist es durchaus möglich zum gegenseitigen Nutzen mit der Vogelwelt in Symbiose zu leben.*) Ortolan oder Gartenammer – ein selten gewordener sperlingsgroßer Singvogel aus der Familie der Ammern.
Peter Schädlich – Gartenfachberater der Fachkommission des Stadtverbandes und Mitarbeiter der Vogelschutzlehrstätte