Aus der Vogelwelt: Neuntöter

Bild von tulip auf Pixabay
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Dort wo heckenartige Anpflanzungen mit dornenbewehrten Büschen vorhanden sind, hat oft der Neuntöter sein Brutrevier. Auch Waldränder, kleine, lichte Wälder, Feldgebüsche, Bahndämme und Obstgärten nutzt er als Lebensraum. Die Würger sind eine auffällige Vogelfamilie, von der es weltweit 64 Arten gibt. Hierzu gehören auch der seit 1987 in Deutschland ausgestorbene Schwarzstirnwürger, der extrem seltene Rotkopfwürger und der noch sporadisch anzutreffende Raubwürger. Der Neuntöter hat die Größe einer Goldammer und wiegt wie diese 29 bis 35 Gramm. Die beiden Geschlechter und die Jungvögel sind an ihrer unterschiedlichen Gefiederfärbung leicht zu erkennen.

Das Männchen ist vor allem durch seinenschwarzen Augenstreif gekennzeichnet. Der Oberkopf und der Nacken sind grau.Rücken, Achselfedern und die Oberflügeldecken sind rostrot. Der Bürzel und die Oberschwanzdecken weisen eine aschgraue Färbung auf, die Schwingen eine dunkelbraune. Die Unterseite ist weiß und hat einen trübrosa oder blasswein-rötlichen Anflug. Das Weibchen ist unscheinbarer gefärbt als das Männchen. Der Augenstreif ist braun und weniger auffallend. Der Oberkopf hat eine rotbraune Färbung, der Hinterhals zeigt einen deutlichen grauen Anflug.

Der Rücken ist rotbraun gefärbt. Bürzel und Oberschwanzdecken sind grau-bräunlich. Die Unterseite ist weiß und hat einen rahmfarbenen Anflug mit dunkelbraunen Bogenlinien.

Die flüggen Jungvögel ähneln dem Weibchen, unterscheiden sich von diesem aber durch die mit vielen Bogenlinien versehene Oberseite. Der Oberschnabel der Würger gleicht denen der Greifvögel. Man erkennt beim Neuntöter deutlich den spitzen Haken und bemerkt dahinter einen kräftigen „Zahn”. Zweifellos dient diese Einrichtung dem Töten der Beutetiere. Der Neuntöter wird auch als Rotrückenwürger oder Dorndreher bezeichnet.

Der Neuntöter ist ein echter Zugvogel (Langstreckenzieher), der in Afrika überwintert. Der Zug wird bei uns von den Altvögeln eröffnet, die Jungen begeben sich etwas später auf die Reise, besonders wenn sie aus einer Spätbrut stammen. Der Zug vollzieht sich nachts, die Neuntöter ziehen möglichst die ganze Nacht durch. Sie fliegen nicht wie Finken, Schwalben, Störche und Kraniche im Verband, sondern einzeln wie Kuckuck, Wiedehopf und viele Greifvögel. Ihr Winterquartier liegt fast ausschließlich südlich des Äquators. Auf dem Herbstzug strömen die Neuntöter aus West- und Zentraleuropa in Griechenland zusammen, überfliegen die griechischen Inseln und fallen dann in Ägypten ein. Von den letzten Inseln der Ägäis bis zur afrikanischen Küste muss der Neuntöter etwa 550 km freies Meer ohne jede Rast überfliegen. Er benötigt für diese Strecke bei einer durchschnittlichen Fluggeschwindigkeit von 43 km/h 12 bis 13 Stunden. Im Frühjahr meidet der Neuntöter aber Ägypten und erreicht über Kleinasien die Balkanhalbinsel. Die äußersten europäischen Brutplätze des Neuntöters liegen von seinem Winterquartier 9000 bis 10 000 km entfernt. Dazu kommen noch die Umwege, so dass der Vogel eine Strecke von 12 000 km zurückzulegen hat.

Ende August / Anfang September beginnt der Wegzug aus dem Brutrevier und Ende November / Anfang Dezember ist der Vogel im Winterquartier Kapland angekommen. Für diese Reise benötigt er rd. 100 Tage. Der Aufbruch für den Rückflug aus dem äußersten Süden erfolgt Mitte März. In Deutschland erscheint der Neuntöter Mitte Mai. Er braucht für den Rückflug von der Südspitze Afrikas ungefähr 60 Tage.

Als Neststandort werden Dornsträucher von 1,5 bis 2,5 m Höhe bevorzugt. Hierbei sind in Mitteleuropa Schwarz- und Weißdorn, Heckenrose oder Brombeere die häufigsten. Innerhalb von 4 bis 6 Tagen wird das Nest von beiden Partnern gebaut. Das Männchen schleppt in der Regel das Nistmaterial hinzu, während das Weibchen den eigentlichen Nestbau übernimmt. Das Nest wird aus Halmen, Stängelchen, feinen Wurzeln und Moos fest zusammengefügt. Innen wird es mit Hälmchen und Tierhaaren ausgepolstert.

Das Gelege besteht aus 2 bis maximal 8, zumeist 5 bis 6 Eiern. Diese sind oval. Die möglichen Grundfärbungen – weißlich (weiß, gelblich, hellgrau oder beige), grünlich oder rötlich – tragen eine Obersprenkelung, die zwischen verschiedenen Brauntönen variieren kann. Darunter liegt eine blassere Sprenkelung in je nach Farbtyp unterschiedlich getöntem Grau. Auch die Verteilung der Sprenkelung kann recht unterschiedlich sein. Die ausschließlich vom Weibchen vorgenommene Bebrütung dauert etwa 14 bis 15 Tage, unter schlechten Witterungsbedingungen auch länger.

Der junge Neuntöter ist zunächst blind. Im Alter von 4 Tagen öffnet er ab und zu für kurze Zeit die Augen. Mit 6 Tagen sind die Augen einen Spalt geöffnet, am 8. Tag sind sie vollends offen. In den ersten Tagen sorgt fast ausschließlich das Männchen für die Ernährung des Weibchens und der Jungen. Es kommt zum Nest geflogen und gibt das Futter dem Weibchen. Das Weibchen reicht dann das Futter an die Jungen weiter oder frisst es selbst. Das Männchen füttert in den ersten Tagen die Jungen niemals selbst. Fliegt das Weibchen selbst auf Jagd und das Männchen trifft es nicht auf dem Nest an, so wartet es geduldig auf das Weibchen.

Die Nahrung der Neuntöter besteht aus Insekten, kleinen Mäusen, Amphibien und Käfern. Das Männchen legt sich ein Vorratslager von Nahrung für schlechte Zeiten an. Er spiest die Käfer, Mäuse oder großen Insekten auf die Dornen in der Nähe vom Brutplatz auf, wo sich auch schon mal das Weibchen bedient. Die Beute wird auch aufgespießt, um sie besser zu zerkleinern.

Neuntöter sind Ansitzjäger. Sie beobachten ihre Beute von einem Aussichtspunkt aus und schlagen blitzschnell zu, indem sie mit angewinkelten Flügeln zu Boden fliegen. Haben sie die Beute ergriffen, so begeben sie sich wieder an ihren Ausgangspunkt zurück. Bevor sie neue Nahrung aufnehmen, würgen sie erst einmal die alten Chitinteile von Käfern in Form eines Gewölles aus. Daher stammt auch der Name Würger. Das Höchstalter eines beringten Neuntöters wird in der Literatur mit 7,5 Jahren angegeben.

Fazit: Reich strukturierte Landschaften mit einem guten Nahrungsangebot und am besten noch dornige Hecken, das ist es, was der Neuntöter braucht. Doch solche Lebensräume sind in den letzten Jahrzehnten immer seltener geworden. Wobei zusätzlich das Nahrungsangebot durch den Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln kräftig reduziert wird. So wundert es nicht, dass der Neuntöter insbesondere in den 1970er und 1980er Jahren deutlich abgenommen hat – in ausgedehnten Ackerlandschaften ist er heutzutage kaum noch anzutreffen. Helfen kann man diesem spezialisierten Jäger vor allem durch den Erhalt von extensiv genutztem Grünland, Streuobstgebieten, Brachen und Trockenstandorten.Klaus Rost

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