Aus der Vogelwelt: Nandu

Bild von Wolfgang Eckert auf Pixabay

Nun möchte ich ihre Aufmerksamkeit auf eine Vogelart richten, die eigentlich in Südamerika beheimatet ist. Dabei handelt es sich um sogenannte Neozoen. Was sind Neozoen? Als Neozoen bezeichnet man Tierarten, die direkt oder indirekt durch die Wirkung des Menschen in andere Gebiete eingeführt worden sind und sich dort fest etabliert haben.

Neozoen werden in der Regel als problematisch eingeordnet, wenn sie eines oder gar mehrere der folgenden Kriterien erfüllen: Sie gefährden oder verdrängen einheimische Arten, sie verändern heimische Ökosysteme, sie richten wirtschaftlichen Schaden an, sie gefährden die Gesundheit des Menschen, sie schleppen Krankheiten sowie gebietsfremde Parasiten ein und letztlich führen sie zu Beeinträchtigungen bei Jagd und Fischerei.

Seine Geschichte beginnt wie ein Kriminalfilm, nämlich mit einem Ausbruch. Acht Nandus entwischten im Jahr 2000 aus einer Straußenfarm im schleswig-holsteinischen Groß-Grönau. Anschließend flohen sie über das Flüsschen Wakenitz ins benachbarte Mecklenburg-Vorpommern. Kein Problem, dachten sich damals die Experten, einen kalten deutschen Winter werden die südamerikanischen Flüchtlinge kaum in freier Wildbahn überstehen. Ein Irrtum, wie sich bald herausstellen sollte. Sie zeigten sich deutlich kälteunempfindlicher als erwartet. Und sie passten ihren Brutzyklus so an ihre neue Umgebung an, dass die Küken auch hier in der warmen Jahreszeit schlüpfen und aufwachsen. Statt im September und Oktober wie auf der Südhalbkugel liegt die Hauptbalzzeit der norddeutschen Nandus in Februar und März.

Der Nandu (Rhea americana) ist ein flugunfähiger Vogel aus Südamerika. Er gehört zur Ordnung der Laufvögel. Mit einer Scheitelhöhe von 1,25 bis 1,40 Metern (Rückenhöhe etwa 1 Meter) und einem Gewicht von 20 bis 25 Kilogramm zählt der Nandu zu den größten Vögeln der Neuen Welt.

Dies betrifft vor allem die Männchen, denn wie beim Strauß sind auch beim Nandu die Hähne im Durchschnitt etwas größer als die Hennen.

Bereits 2001 wurde der Nachweis einer erfolgreichen Brut durch die Beobachtung eines Männchens mit 14 Küken erbracht. In den folgenden Jahren wurden weitere erfolgreiche Bruten getätigt. Ein dominanter Hahn paart sich dann gleich mit mehreren Weibchen. Die so entstehenden Gelege enthalten in der Regel bis zu 40 Eier. Diese werden übrigens ganz allein vom Vater ausgebrütet und die Jungen nach dem Schlüpfen auch durch ihn großgezogen. Die Damen machen sich aus dem Staub und paaren sich oft auch noch mit weiteren Hähnen. Bei solchen Reproduktionszahlen ist es nicht erstaunlich, dass die Zahl der freilebenden Nandus in Mecklenburg-Vorpommern sich inzwischen auf mehr als 200 erhöht hat. Für Menschen sind die Laufvögel zwar allgemein ungefährlich, aber den Landwirten machen ihre Nahrungsvorlieben arg zu schaffen. Insbesondere Winterraps und Rüben stehen auf dem Speiseplan der Nandus. Und da sie häufig in größeren Gruppen auf den Feldern einfallen, gehen die Schäden für die betroffenen Bauern in die Tausende.

Dass das eine echte Zwickmühle ist, sehen auch die Mitarbeiter des Biosphärenreservats Schaalsee, in deren Verantwortungsgebiet die Vögel überwiegend ihr Unwesen treiben. Seit Jahren beobachten sie die Nandus, um herauszufinden, ob und falls ja, wie die Neuankömmlinge vorhandene Tier- und Pflanzenarten beeinflussen oder gar gefährden. Bislang scheint das nicht der Fall zu sein.

In Südamerika lebt der Nandu in den Grasebenen, den so genannten Pampas, und hält sich da am liebsten in sumpfigen Gebieten auf. Er ist ein Herdentier und bleibt mit rund 50 anderen Nandus zusammen; ganz schön beeindruckend, so eine große Nandu-Herde. Nur in der Brutzeit teilt sich die Herde in kleinere Gruppen auf. Ein Nanduhahn hat mehrere Nanduweibchen und passt dann genau auf, dass bei der Eiablage auch nichts schiefgeht. Das gesamte Brutgeschehen, mit Ausnahme des Legens der Eier, obliegt dem Männchen, welches in 35 bis 40 Tagen die Eier bebrütet und die Aufzucht der Nestlinge übernimmt. Die Jungtiere sind grau mit dunkleren Längsstreifen und können bereits kurz nach dem Schlüpfen laufen. Die Jungen sind nach 6 Monaten ausgewachsen und erreichen nach zwei bis drei Jahren die Geschlechtsreife.

Die Nandus haben ein lockeres, zerfleddert aussehendes Federkleid und besitzen die größten Flügel aller Laufvögel. Das Gefieder ist grau oder braun, zwischen den Individuen variiert die Farbgebung stark. In der Regel sind Männchen etwas dunkler und größer als Weibchen, was aber kein zuverlässiges Unterscheidungsmerkmal ist. Die Beine sind lang und kräftig, während die Füße im Gegensatz zu Straußen drei Zehen besitzen. Auf der Flucht erreicht er Geschwindigkeiten von bis zu 60 km/h.

Die Art ist offenbar recht anpassungsfähig, in Mecklenburg-Vorpommern bewohnen Nandus vor allem Stilllegungsflächen mit flächigen Trocken- und Halbtrockenrasen und Kiefernforste, wurden aber auch auf Grünland, Äckern und in Laubwald beobachtet. Im Winter suchen die Tiere auf Rapsäckern und Stilllegungsflächen nach Nahrung. Funde von Gelegen erfolgten bisher in Trockenrasen, Staudenfluren, auf Getreide- und Rapsäckern sowie im Laubwald.

Rechtlich gilt der Nandu inzwischen als in Deutschland heimische Art, da er sich in freier Natur und ohne menschliche Hilfe über mehrere Generationen als Population erhalten hat. In Naturschutzkreisen ist die Bewertung des Nandus als Brutvogel in Deutschland sehr unterschiedlich. So wird die Auflösung der Bestände, also Tötung aller Nandus, gefordert. Dies wird mit dem Vorsorgeprinzip begründet, da der Nandu sich als invasive Art erweisen könnte. Derzeit steht der Nandu jedoch auf der Grauen Liste. Auf die Graue Liste werden potenziell invasive (gebietsfremde) Arten gesetzt, um diese durch die Behörden beobachten zu lassen. Befürchtungen bezüglich einer möglichen Gefährdung von Bodenbrütern, Reptilien und Insekten haben sich bisher durch Feldforschungen und Magenuntersuchungen nicht bestätigt.

Derzeit werden weitergehende Untersuchungen über die Auswirkung der heimischen Nandupopulation nicht als dringlich angesehen, da der Bestand teilweise nicht ganz winterfest ist und somit wieder aussterben könnte.

Nach Beschwerden aus der Landwirtschaft wegen zunehmender Schäden, erteilte das Biosphärenreservatsamt Schaalsee-Elbe 2017 die Genehmigung, die Population der wildlebenden Nandus durch Manipulation der Gelege einzudämmen. Dazu werden die Eier im Gelege von namentlich registrierten Personen angebohrt. Bis März 2018 sank die Zahl der Nandus am Ratzeburger See auf 205 Tiere. Ursache kann auch der lange kalte Winter sein. Weil Nandus erhebliche Schäden auf Raps- und Getreidefeldern verursachen und Vergrämungsversuche der Landwirte keine Erfolge zeigen, wurde geplant, auch 2018 frisch gelegte Eier der Nandus zur Bestandskontrolle anzubohren. Das Biosphärenreservatsamt Schaalsee-Elbe habe zum zweiten Mal einen Antrag des Kreisbauernverbands auf Manipulation der Gelege genehmigt. Ziel der Aktion ist, dass die Nandus irgendwann merken, dass mit den Eiern etwas nicht stimmt, das Nest verlassen und kein neues Gelege anlegen. Der Kreisbauernverband Nordwestmecklenburg betonte, es gehe den Landwirten nicht um das Ausrotten der Nandus in Norddeutschland, sondern um eine Bestandsstabilisierung. „Experten haben ausgerechnet, dass ohne Maßnahmen der Bestand bis 2024 auf 800 Tiere wachsen würde.“

Klaus Rost 

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