Versammlungsleitung Mitgliederversammlung

§ Sie fragen – wir antworten

Wem obliegt die Leitung der Mitgliederversammlung, welche Rechte und Pflichten hat der Versammlungsleiter?

Die Zuständigkeit der Versammlungsleitung muss sich aus der Vereinssatzung ergeben. Nach dem Willen der im Stadtverband Leipzig der Kleingärtner e.V. (SLK) organisierten Kleingärtnervereine (KGV) obliegt die Leitung der Mitgliederversammlung (MV) dem Vorsitzenden des KGV oder einem anderen Vorstandsmitglied (§ 9 Abs. 1 der Mustersatzung).

Diese Satzungsregelung ist dann kein Dogma, wenn außergewöhnliche Umstände vorliegen, wie z.B. eine unaufschiebbare Analyse der Vorstandstätigkeit verbunden mit sofortigen Entscheidungen der MV über deren weitere Amtsausübung. In diesen Ausnahmefällen kann die MV zu Versammlungsbeginn ein geeignetes Vereinsmitglied zum Versammlungsleiter bestimmen. Erfolgt eine Ermächtigung einer Minderheit der Vereinsmitglieder auf Anberaumung und Durchführung einer MV durch das zuständige Amtsgericht, ist dieses berechtigt, eine Anordnung über die personelle Besetzung der Versammlungsleitung zu treffen (§ 37 BGB).

Bei relativ „großen“ Vereinen ist es empfehlenswert, eine Vereinsordnung zur Versammlungsleitung sowie der damit im Zusammenhang stehenden Aufgaben und Befugnisse / Rechten und Pflichten des Versammlungsleiters zu beschließen. Im Vergleich zu „kleineren“ Vereinen  werden an dessen Persönlichkeit und Funktionsausübung weitaus höhere Anforderungen gestellt.

Dem Versammlungsleiter obliegt eine Reihe von Aufgaben. Hierzu zählen insbesondere die Eröffnung der MV, die Feststellung der Beschlussfähigkeit der MV, die (nochmalige) Bekanntgabe der Tagesordnung (ggf. die Herbeiführung einer Beschlussfassung über Anträge zur Erweiterung der Tagesordnung), die Erledigung der Tagesordnung und die Beendigung der Diskussion zu den einzelnen Tagesordnungspunkten, die Verkündung der durch die MV gefassten Beschlüsse und die formale Beendigung der MV.

Das Auftreten des Versammlungsleiters ist für die Atmosphäre in der MV, für ihre  Wirksamkeit und ihre Ausstrahlung auf das Vereinsleben von nicht zu unterschätzender Bedeutung.

Vom Versammlungsleiter muss gewährleistet werden, dass er nicht nur seine Aufgaben und Befugnisse, sondern auch die Inhalte der Vereinssatzung, der die Tagesordnung berührenden Gesetze, Beschlüsse der MV (ggf. auch die des Vorstandes) und jener Kleingärtnerorganisationen, denen der KGV verpflichtet ist, kennt. Das Wissen um die Rechtslage ist wie in vielen anderen Tätigkeitsbereichen des KGV ein tragendes Element.

Vom Versammlungsleiter ist zu erwarten, dass er für eine sachlich-konstruktive Atmosphäre in der MV und für einen zügigen Versammlungsablauf sorgt, sich unparteiisch verhält, persönliche Standpunkte nicht zum „Maß der Dinge“ macht, alles unterlässt, was mit einer demokratischen Meinungsbildung und Entscheidungsfindung unvereinbar ist. Das schließt jedoch nicht aus, dass er als Versammlungsleiter u.a. zu den zu erörternden Sachfragen Empfehlungen gibt.

Einen Schwerpunkt der Tätigkeit des Versammlungsleiters nimmt der Tagesordnungspunkt „Diskussion“ ein. Unter Berücksichtigung vielfältiger Faktoren (wie zu erwartende Diskussionsbereitschaft, Anwesenheit von „Dauerrednern“) kann es selbst bei relativ „kleinen“ Vereinen geboten sein, dass der Versammlungsleiter – soweit keine anderen Zuständigkeitsregelungen vorliegen – von seinem Recht auf Begrenzung der Diskussionszeit Gebrauch macht. Seine Entscheidung muss vor Diskussionsbeginn den Mitgliedern zur Kenntnis gegeben und gegenüber jedermann konsequent durchgesetzt werden. Ihre zeitliche Begrenzung muss jedoch für jedes Vereinsmitglied (unter Beachtung u.a. von Alter, besondere Persönlichkeitsmerkmale) ausreichend sein, sich verständlich artikulieren zu können. Auch wenn keine zeitliche Begrenzung der Diskussionszeit erfolgt, ist dem Versammlungsleiter zuzugestehen, dass er weitschweifige und/oder unsachliche Diskussionen unterbindet.

Dem Versammlungsleiter ist auch das Recht zuzugestehen, einen Diskussionsredner das Wort zu entziehen, wenn dieser die festgesetzte Diskussionszeit trotz ergangenen Hinweises überzieht oder trotz einer vorangegangenen Verwarnung, seine den  Vorstand, andere Vereinsmitglieder oder anwesende Gäste beleidigende Äußerungen nicht unterlässt. In Ausnahmesituationen, wie bei einer unerlaubten Teilnahme vereinsfremder Personen an der MV, kann der Versammlungsleiter in Ausübung des Hausrechts diese vom Versammlungsort verweisen und ggf. andere rechtlich zulässige Schritte einleiten.

Das Recht, eine Person von der weiteren Teilnahme an der MV auszuschließen und zum Verlassen des Versammlungsortes aufzufordern, ist dem Versammlungsleiter auch gegenüber Mitgliedern vor allen bei einem äußerst (!) beleidigenden / provokanten / handgreiflichen Verhalten gegenüber anderen Vereinsmitgliedern, zuzugestehen. Diese Maßnahme sollte jedoch nur dann zur Anwendung gebracht werden, wenn das Vereinsmitglied mit seinem vereinsschädigendem Verhalten die Voraussetzungen für den Vereinsausschluss geschaffen hat.

Weil dies das äußerste Mittel zur Herstellung von Ordnung und der Versammlungskultur ist, sollte andere disziplinierende Schritte und ggf. eine durch den Versammlungsleiter gerechtfertigte Unterbrechung der MV vorausgehen. Es sind auch deswegen hohe Anforderungen zu stellen, weil diesem Vereinsmitglied nicht nur das weitere Rederecht sondern auch das Stimmrecht entzogen wird.

All die disziplinierenden Entscheidungen des Versammlungsleiters sind wie die Gründe seiner Entscheidung im Versammlungsprotokoll nachvollziehbar festzuhalten.

Dr. jur. habil. Wolfgang Rößger

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