Außerordentliche Mitgliederversammlung   

§ Sie fragen – wir antworten

Ein nicht geringer Teil der Mitglieder unseres Kleingärtnervereins erachtet es für notwendig, nicht erst bis zur turnusmäßigen Mitgliederversammlung mit der Lösung anstehender ernsthafter Vereinsprobleme zu warten, sondern fordert, kurzfristig eine Mitgliederversammlung durch den Vorstand einzuberufen und bei dessen Untätigkeit diese eigenständig anzuberaumen. Ist das rechtlich zulässig?

Die Mitgliederversammlung (MV) ist unumstritten das höchste Vereinsorgan. Sie ist Zeitpunkt und Ort der Zusammenkunft aller Vereinsmitglieder zur Wahrnehmung ihres Mitbestimmungsrechts hinsichtlich der Erörterung und Entscheidung in Vereinsangelegenheiten, die von grundsätzlicher Bedeutung für den Erhalt und die Förderung des Kleingärtnervereins (KGV), die Erfüllung seines satzungsgemäßen Zwecks sind und daher gemäß der Vereinssatzung in die Zuständigkeit der MV fallen.

Es sind Positionen und Satzungsinhalte zu unterstützen, die auf die Anberaumung und Durchführung, insbesondere in relativ großen KGV – mehrerer MV – im Sprachgebrauch allgemein als “ordentliche Mitgliederversammlung” bezeichnet – im Kalenderjahr orientieren. Findet sie einmal im Jahr statt, dann wird sie regelmäßig als „Jahreshauptversammlung” benannt.                                                                                                  

Im Vereinsleben gibt es immer wieder Situationen, die das Erfordernis der unverzüglichen/kurzfristigen Einberufung einer MV  – insofern zusätzlich zu den periodisch vorgesehenen (ordentlichen) MV – zur Positionsbildung und Entscheidung in aktuellen Grundfragen des Vereins auslösen. Dem besonderen Charakter dieser MV folgend, wird sie in der Praxis als “außerordentliche Mitgliederversammlung” bezeichnet. Die Notwendigkeit zur unverzüglichen Einberufung einer außerordentlichen MV ergibt sich i.d.R. aus aktuellen Ereignissen, die die weitere Existenz des KGV, der von ihm betriebenen Kleingartenlage im erheblichen Maße berühren. Dies kann bspw. die eingetretene/sich abzeichnende Handlungsunfähigkeit des Vorstandes sein. Wenn der Zeitpunkt bis zur Durchführung der in der Vereinssatzung terminlich bestimmten Mitgliederversammlung unvertretbar lang ist.

Ganz gleich, ob zu einer ordentlichen oder einer außerordentlichen MV eingeladen wird, alle in der Vereinssatzung fixierten Regelungen zur Einladung und Durchführung einer MV des Vereins – wie Zuständigkeit für die Einladung, Form und Fristen der Einladung – sind immer verbindlich.

Die Fragesteller gehen offensichtlich davon aus, dass entgegen ihrem begründetem Handlungsbegehren der amtierende Vorstand – aus welchen Gründen auch immer – die Notwendigkeit zur Einberufung einer außerordentlichen MV nicht sieht bzw. diesen Weg nicht gehen will oder das Begehren dieser Vereinsmitglieder offensichtlich ignoriert.

Die Rechtslage ist in derartigen Fällen eindeutig: Gemäß § 37 Bürgerliches Gesetzbuch (Berufung auf Verlangen einer Minderheit) ist die MV zu berufen, wenn der durch die Satzung bestimmte Teil …die Berufung schriftlich unter Angabe des Zwecks und der Gründe verlangt.“ Daraus folgt mit Blick auf die Mustersatzung der im Stadtverband Leipzig der Kleingärtner e.V. organisierten KGV:  Außerordentliche Mitgliederversammlungen werden … auf schriftlichen Antrag von mindestens einem Drittel der Mitglieder, unter Angabe des Zwecks und der Gründe, durch den Vorstand einberufen.  (§ 10 / 4).                                         

In dem schriftlichen Antrag sind der Zweck und die Gründe des Verlangens für die unverzügliche Einberufung einer außerordentlichen MV klar zu umreißen. Ggf. sind detaillierte Vorschläge für die Gestaltung der Tagesordnung und Beschlussentwürfe zu unterbreiten. Dieser schriftliche Antrag ist durch die das Verlangen aussprechenden Mitglieder, ungeachtet ihrer Namensnennung handschriftlich zu unterzeichnen.

Lehnt der Vorstand dieses Verlangen der Minderheit der Vereinsmitglieder auf Einberufung und Durchführung einer außerordentlichen MV zu dem begründeten Zweck ab, dann steht es diesem Personenkreis der Vereinsmitglieder frei, sich an das für den Vereinssitz zuständige Registergericht beim Amtsgericht zu wenden. In § 37 (2) BGB heißt es diesbezüglich: „Wird dem Verlangen nicht entsprochen, so kann das Amtsgericht die Mitglieder, die das Verlangen gestellt haben, zur Berufung der Versammlung ermächtigen; es kann Anordnungen über die Führung des Vorsitzes in der Versammlung treffen… Auf die Ermächtigung muss bei der Berufung der Versammlung Bezug genommen werden.“  

In einer derartigen Situation hat der amtierende Vereinsvorstand dem durch das zur Einladung und Durchführung einer außerordentlichen MV durch das Amtsgericht ermächtigten Personenkreis die vollständige Mitgliederliste mit Wohnanschrift der Mitglieder (zweckgebunden) auszuhändigen und ggf. weiteren Forderungen nachzukommen (wie ungehinderte Nutzung des Vereinsheimes).

Dr. Wolfgang Rößger

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