Muss ein Vorstand eines Kleingärtnervereins einen Vorsitzenden haben?

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Muss ein Vorstand eines Kleingärtnervereins (KGV) einen Vorsitzenden haben?

Es ist eine bewährte und erfolgreiche Vereinspraxis der KGV: der Vorsitzende führt, organisiert, kontrolliert und optimiert die Vereinstätigkeit in ihrer Vielfalt – und nicht begrenzt auf die Tätigkeit des Vorstandes. Das alles im Sinne der in der Vereinssatzung bestimmten Vereinsziele und des Vereins-zwecks. Er repräsentiert den KGV und vertritt diesen in der Zusammenarbeit mit den kommunalen Ämtern/Behörden und Organisationen, so auch mit der übergeordneten Kleingärtnerorganisation, des-sen Mitglied der Verein ist. Das trifft  auch auf viele andere Gebiete und auf bestimmten Anlässen zu.    

Der Umstand, dass es im Vereinsleben – und nicht nur in den der KGV – nicht so selten (und nicht immer grundlos) an der Bereitschaft zur Übernahme und Ausübung eines „Vorstandsamtes“ im allgemeinen und des Vereinsvorsitzenden im Besonderen fehlt, führt in der Praxis nicht nur zu Überlegungen und Argumentationen hinsichtlich der Zusammensetzung des Vorstandes unter Weg-lassung des Amtes des Vereinsvorsitzenden, sondern auch zu derartigen Vorgehensweisen. Einer mehr oder weniger tiefgründigen Analyse der Ursachen und ihre kollektive Überwindung mit allen Vereinsmitgliedern sollte grundsätzlich der Vorrang gegeben werden. Das schließt in sich durchaus die Ausschöpfung rechtlich vertretbarer Praktiken bezüglich  Größe und Aufgabenverteilung des Ver-einsvorstandes ein.

Bei der Fülle der von den Kleingärtnerorganisationen auf allen Gebieten – bspw. teils hohen Leerstand in den Kleingartenanlagen, Geeignetheit des Bodens zur kleingärtnerischen Nutzung infolge veränderter Umwelteinflüsse, mangelnder Disziplin der Vereinsmitglieder und Vertragstreue der Kleingartenpächter sollte dem Personenkreis, der sich ehrenamtlich für die Belange des KGV einsetzt, mehr Verständnis, Achtung und Anerkennung entgegengebracht werden.

Der mögliche Verzicht auf das Amt des Vorsitzenden wird vor allem mit der Auslegung  einschlägige Regelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) begründet. An diesbezüglichen Anregungen mangelt es auch nicht im Internet. So wird bspw. orientiert auf Satzungsregelungen, die namentlich keine Vorstandsämter vorsehen, lediglich die Anzahl der Vorstandsmitglieder bestimmen und mit der Aussage mehr oder weniger enden, dass der Vorstand durch jeweils zwei Vorstands-mitglieder vertreten wird. Ansonsten erledigen alle Alles —.

Es ist allgemein bekannt, dass der Gesetzgeber zwingend verlangt: „Der Verein muss einen Vorstand haben (§ 26 BGB).“ Er überlässt die Entscheidung grundsätzlich den Vereinen, ob die Erledigung der dem Vorstand als dessen gesetzlicher Vertreter obliegenden Grundaufgaben, den Verein gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten und die Geschäftsführung auszuüben (siehe §§ 26 und 27 BGB) durch einen Vorstand, der aus einer oder mehreren Personen besteht und welche Mindest- oder Höchstzahl ein Mehrpersonenvorstand haben sollte/darf. Der Gesetzgeber bestimmt weder im BGB noch in anderen Rechtsvorschriften die in einem Vorstand zu besetzenden Ämter und ihre Besizeichnung. Das ist schon eine Frage der Tradition (auch im Kleingartenwesen), die nicht aufgegeben werden sollte.

Alle diesbezüglichen Entscheidungen obliegen dem höchsten Vereinsorgan – der  Mitgliederversamm-lung und sind in Gestalt von Satzungsregelungen zu treffen. Einzelgänge  der im Stadtverband Leipzig der Kleingärtner (SLK)  organisierten KGV sind fragwürdige Experimente und abzulehnen. Das Klein-gartenwesen der Stadt Leipzig steht, und das sagen wir voller Stolz, aus historischer Sicht in einer

besonderen Pflicht. Die in der Mustersatzung des SLK enthaltene diesbezügliche Regelungsvorgabe stützt sich auf bewährte Traditionen:“ Der Vorstand im Sinne des § 26 BGB besteht aus dem 1. Vorsitzenden, dem 2. Vorsitzenden, dem Schatzmeister und dem Schriftführer.“     

Es ist ein ernstes Problem für die weitere Existenz des KGV und der von ihm betriebenen Kleingartenanlage (KGA), wenn es an der Bereitschaft der Mitglieder zur Übernahme und Ausübung eines Vorstandsamtes mangelt. Dies ist nicht nur eine Frage im Zusammenhang mit erforderlichen Vorstandswahlen nach Ablauf deren Amtsperiode. Ein solches Erfordernis kann sich bei Tod, schwerer Erkrankung, Amtsniederlegung von Vorstandsmitgliedern zu jedem Zeitpunkt ergeben. Der Vorstand wird wegen seiner rechtlichen Stellung nicht zu Unrecht als Lebensnerv des KGV oder als dessen Existenzgrundlage bezeichnet.

Insbesondere bei KGV mit einer sehr hohen Mitgliederzahl und Kleingartenpachtverhältnissen sind Überlegungen, mehrere stellvertretende Vorsitzende in der Vereinssatzung vorzusehen oder wie mit der Mustersatzung in § 12 (3) orientiert: „ Der Vorstand … kann dritte Personen mit der Wahrnehmung von einzelnen Aufgaben gem. § 30 BGB beauftragen.“

Hierzu zählt auch die Überlegung, in KGV mit einem relativ hohen Arbeitsaufwand des Vorstandes in der Satzung zusätzlich einen haupt- oder ehrenamtlichen Geschäftsführer vorzusehen und dessen Aufgabenbereich zu bestimmen.

Dr. Wolfgang Rößger

Dr. jur. habil. Wolfgang Rößger

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