Mitgliederversammlung / Versammlungsort (2)

§ Sie fragen – wir antworten

Welche Bedeutung hat die Auswahl des Ortes der Mitgliederversammlung (MV) für deren qualifizierte Durchführung? Sind unter bestimmten Umständen – wie großer Kleingärtnerverein (KGV) – mehrere/getrennte MV zulässig? Welche Alternativen stehen für einen großen KGV anstelle einer MV zur Auswahl?

Im ersten Teil des Beitrags (LGF 11/2018) wurde die große Verantwortung des Vorstandes für die die Festlegung des Versammlungsortes – insofern die Vereinssatzung keine Festlegung beinhaltet – herausgestellt. Dabei ist zu bedenken, dass der Erfolg der MV gefährdet werden kann, wenn einigen der Einladung zur MV folgenden Mitgliedern faktisch kein Zutritt zum Versammlungsort möglich ist, weil er zu klein ist oder wenn die Teilnahme dem einzelnen Mitglied an der MV und insofern die aktive Beteiligung an der Meinungs- und Willensbildung über ein erträgliches Maß unzumutbar ist oder die gesamten Umstände im Versammlungsraum eine ordnungsgemäße Durchführung der MV nicht oder nur bedingt zulassen. Letzteres ist z.B. der Fall, wenn im Versammlungsraum ein öffentlicher Gaststättenbetrieb zeitgleich stattfindet.

Abzulehnen sind grundsätzlich wegen des Fehlens eines geeigneten Versammlungsortes geteilte/getrennte MV. Das ist keine Alternative in derartigen, für den KGV durchaus belastenden Situationen. In der Vereinspraxis werden MV nicht grundlos als „Jahreshauptversammlung“ der Vereinsmitglieder z.B. als „Gesamt-Mitgliederversammlung“ bezeichnet.

Die Ausgangslage für eine objektive tragfähige Beschlussfassung ist in einer „Teilversammlung“ – oder wie man sie auch bezeichnen will – immer eine andere als in einer Gesamtmitgliederversammlung. Der demokratische Meinungsbildungsprozess – z.B. die Vermittlung und persönliche Kenntnisnahme von Argumenten für oder gegen die Beschlussvorlage wird ganz anders wahrgenommen als in einer geteilten MV. Dies wirkt sich nicht unwesentlich auf das eigene Abstimmungsverhalten, die Bereitschaft zur Befolgung gefasster Beschlüsse u.a.m. aus. Daran ändert nur bedingt etwas, wenn den Teilnehmern einer zweiten MV Verlauf und Ergebnisse der vorangegangenen MV eines Teils der Vereinsmitglieder zur Kenntnis gegeben werden.

Im bundesweiten Vereinsleben – auch der der KGV – hat insbesondere in relativ großen Vereinen mit mehreren hundert Vereinsmitgliedern die Praxis der Etablierung und Durchführung neben der MV die von Delegiertenkonferenzen (auch als Vertreterkonferenz bezeichnet) einen festen Platz gefunden. Anzutreffen sind auch Verfahrensweisen, dass anstelle der MV die Delegiertenkonferenz als höchstes Vereinsorgan gemäß Satzungsregelung handelt. Die rechtliche Zulässigkeit für ein derartiges Vorgehen ergibt sich aus § 40 i.V. mit § 32 BGB.

Die Delegiertenkonferenz anstelle der MV als höchstes Vereinsorgan zu etablieren, sollte nicht zur Bedeutungslosigkeit der MV führen.

Bevor sich der KGV für die Erweiterung der Vereinsorgane entscheidet, sollte unbedingt eine Beratung und Abstimmung mit dem Vorstand des SLK erfolgen.

Die Etablierung der Delegiertenkonferenz als weiteres Vereinsorgan in der Vereinssatzung sollte jedoch nicht dazu führen, dass die MV – verstanden als Gesamt-Mitgliederversammlung – im Vereinsleben keinen Platz mehr hat. Anstehende Grundsatzentscheidungen für den KGV als Verein, aber auch als Betreiber der Klengartenanlage (KGA), als Pächter und Verpächter fremden Grund und Bodens, die dem Erhalt und der Entwicklung des KGV und seiner KGA dienen, soll grundsätzlich von der MV getroffen werden.

In der Vereinssatzung sollte die Stellung und Zuständigkeit der MV und der Delegiertenkonferenz eindeutig bestimmt werden.

Die Erweiterung der Vereinsorgane um die Delegiertenkonferenz setzt einen rechtswirksamen (!) Beschluss der MV zur Änderung der Vereinssatzung voraus.

In der Vereinssatzung ist der Delegiertenschlüssel – die Anzahl der Delegierten (Vertreter) zu bestimmen. Z.B. wird 1 Delegierter auf 10 Kleingartenpächter/Mitglieder als Schlüssel bestimmt. Wichtig zu regeln ist, wie die Nominierung und die Wahl der Delegierten erfolgt und ihre Wahlperiode andauert. Ggf. ist die Nominierung auch an personelle Voraussetzungen zu knüpfen.

Eine Auswahl der Delegierten und ihre Berufung durch den Vorstand sollte aus vielfältigen Gründen nicht in Betracht gezogen werden.

Im Übrigen können die allgemeinen Satzungsregeln, u.a. zur Einberufung der MV komplex für die MV und die Delegiertenkonferenz übernommen werden.

Dr. jur. habil. Wolfgang Rößger

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