Mitgliederversammlung / Versammlungsort (1)

§ Sie fragen – wir antworten

Welche Bedeutung hat die  Auswahl des Ortes der Mitgliederversammlung (MV) für deren qualifizierte Durchführung und die Rechtswirksamkeit gefasster Beschlüsse? Sind unter bestimmten Umständen – wie großer  Kleingärtnerverein (KGV) – mehrere/getrennte MV zulässig? Welche Alternativen stehen einem großen KGV anstelle einer MV zur Auswahl?

Die MV ist einerseits in Vereinen, so auch in KGV, zu verstehen als das höchste und daher bedeutendste Vereinsorgan! Ihr obliegt es, im Rahmen der ihr in der Vereinssatzung zugewiesenen Kompetenzen, die Grundentscheidungen in den regelungsbedürftigen Angelegenheiten des KGV zu treffen. Auf das Erfordernis, die Entscheidungskompetenzen der MV und des Vorstandes des KGV klar in der Satzung des Vereins zu fixieren, liegt sowohl im Interesse der Vereinsmitglieder als auch der des Vorstandes und ist daher immer wieder zu fordern.

Andererseits ist die MV auch zu verstehen als Zusammenkunft der Vereinsmitglieder mit unterschiedlichsten Inhalten. Von besonderer Bedeutung sind jene Tagesordnungspunkte, die eine kollektive demokratische Beratung, Willensbildung und Entscheidung in den regelungsbedürftigen Angelegenheiten des KGV betreffen.

MV finden üblicherweise einmal jährlich statt und werden in der Vereinspraxis überwiegend als „Jahreshauptversammlung“ der Vereinsmitglieder, „Mitgliedervollversammlung“ oder „Gesamt-Mitgliederversammlung“ bezeichnet.

In den KGV des Stadtverbandes Leipzig der Kleingärtner e.V. (SLK) obliegen die Einberufung der MV, die Einladungen zur MV und deren inhaltliche Gestaltung den Vorständen der KGV.

Weil es der MV obliegt, die Grundentscheidungen des KGV durch Beschlüsse zu treffen, kommt es darauf an, dass der Vorstand die Versammlung der Mitglieder qualifiziert vorbereitet, durchführt, auswertet und aufbereitet.´

Alle Aktivitäten hierzu haben sich an den gesetzlichen Regelungen im BGB, an den gültigen Satzungsinhalten des KGV (ggf. auch aus verbindlichen Beschlüssen des SLK), der aktuellen höchst-richterlichen Rechtsprechung und der herrschenden Rechtsmeinung zu orientieren. Daher werden einschlägige aktuelle Urteile in der Geschäftsstelle des SLK zur Entnahme durch die Vorstände ausgelegt und es findet eine umfangreiche Rechtsarbeit im Rahmen von Schulungsveranstaltungen, Beratungen der Bezirksgruppen und in Veröffentlichungen der Kleingärtnerorganisationen auf allen Ebenen statt.

Im Rahmen der Vorbereitung der MV sollte immer die Analyse der aktuellen realen Situation des KGV erfolgen und diese ohne Wenn und Aber den Mitgliedern vermittelt werden.

Bei der Vorbereitung der MV hat die Bestimmung des Versammlungsortes einen hohen Stellenwert. In Einzelfällen, dies soll nicht verschwiegen werden, ein Reizthema, wenn der KGV selbst über keine entsprechenden Räumlichkeiten (mehr) verfügt und für deren Anmietung nicht geringe finanzielle Mittel aufbringen muss und die Erfahrungswerte hinsichtlich dem Interesse und der Mitglieder zur Teilnahme an der MV ihre eigene Sprache widerspiegeln. Nicht immer nur ein Problem für KGV mit einer Mitgliederzahl von mehreren hundert Mitgliedern.

Hinsichtlich der Wahl des Versammlungsortes gilt zunächst festzustellen, dass der Gesetzgeber keine bindenden Festlegungen trifft und damit die Entscheidung über die Bestimmung des Versammlungsortes in die Verantwortung der KGV legt. Schreibt die Satzung des Vereins keinen Versammlungsort vor, und dies ist die Regel, dann ist der Vorstand für die Wahl des Versammlungsortes verantwortlich. Nicht immer ist dies innerhalb der Kleingartenanlage (KGA) des KGV möglich.

Der Fragestellung folgend ist grundsätzlich hervorzuheben, dass das Einreichen des gewählten Versammlungsortes jedem Vereinsmitglied zugemutet werden kann, dass der gewählte Versammlungsort – die gewählte Räumlichkeit – jedem (!) Vereinsmitglied die Möglichkeit bieten muss, in dieser nicht nur Zugang zu finden, sondern auch Platz nehmen zu können. Demzufolge stoßen Stehplätze an die Grenzen des Zumutbaren. Die Zumutbarkeit des gewählten Versammlungsortes schließt in sich auch eine angemessene Raumtemperatur, Belüftung und das Vorhandensein von Toiletten ein.

In der Praxis haben sich eine Reihe zu unterstützender Standpunkte durchgesetzt, die die Durchführung einer MV „im Freien“ innerhalb der KGA ablehnen. Sie lassen sich aus folgenden Argumenten herleiten: Die Durchführung der MV im wahrsten Sinne des Wortes „im Freien“ bietet, wenn überhaupt, Schutz vor Sonneneinstrahlung u.a. Witterungseinflüssen. Ohnehin ist die konkrete Wetterlage für den satzungsgemäß bestimmten Zeitraum zwischen Einladung zur und Durchführung der MV nicht exakt bestimmbar. Der Versammlungsort „im Freien“ bietet keine oder nur eine sehr begrenzte Atmosphäre, die dem Charakter einer MV gerecht wird. Das MV nicht öffentlich sind, ist Publikumsverkehr von Besuchern, Gästen oder Passanten in der Nähe des Versammlungsortes wohl kaum auszuschließen. Und schon beginnen die möglichen Probleme.

Bei diesem oder jenem genannten oder noch zu nennenden kritischen Aspekt hinsichtlich der Festlegung des Versammlungsortes ist die Gefahr letztlich unwirksamer gefasster Beschlüsse nicht zu verkennen.

Die Wahl des Versammlungsortes abhängig zu machen von den Erfahrungswerten der Vergangenheit hinsichtlich der Teilnahme der Vereinsmitglieder an MV ist nicht nur äußerst problematisch und im Interesse der Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten hinsichtlich der Rechtskraft gefasster Beschlüsse des MV abzulehnen.

Wird fortgesetzt

Dr. jur. habil. Wolfgang Rößger

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