Aus der Vogelwelt: Garten- und Waldbaumläufer

Gartenbaumläufer - Bild von Kathy Büscher auf Pixabay

Bei Spaziergängen durch die Natur begegnen wir mitunter auch Vögeln, bei denen man nicht gleich auf Anhieb sagen kann, um welche Vogelart es sich handelt, wie z.B. Gartenbaumläufer und Waldbaumläufer. Bei rund 8.600 nachgewiesenen Vogelarten auf der Erde ist es nicht verwunderlich, dass sich darunter auch Arten verbergen, die sich im Aussehen ähneln. Es gibt Vögel, die quasi einen Doppelgänger besitzen, von dem sie feldornithologisch nur schwer zu unterscheiden sind. Dabei gibt es welche, die sich in Gestalt und Färbung, andere, die sich in ihren stimmlichen Äußerungen weitgehend gleichen. Glücklicherweise trifft immer nur das eine oder das andere zu. Ähneln sich also zwei Arten in ihrem Aussehen, so sind sie sicherlich durch ihre Stimme voneinander zu unterscheiden und umgekehrt. Unter den bei uns heimischen Doppelgängern gibt es nur wenige, die sich so verblüffend gleichen wie unsere beiden Baumläuferarten. 

Ihre Ähnlichkeit geht soweit, dass der Altmeister der Vogelkunde J. F. Naumann (1780-1857) sie noch für eine Art hielt, obwohl sein Zeitgenosse C. L. Brehm (1787-1864) sie bereits entdeckt hatte. Um es vorweg zu sagen: Für den Feldornithologen bleiben die beiden Baumläuferarten auch heute kaum unterscheidbar, wenn sie nicht ihre Stimme hören lassen.

Zirkel und Maßstab, die am präparierten Balg Klarheit bringen, sind keine Werkzeuge für den Feldornithologen. Er ist nicht in der Lage, an einem Vogel, der mit zu den kleinsten und beweglichsten zählt, festzustellen, ob sein Schnabel oder seine Hinterkralle zwei Millimeter länger oder kürzer sind. Dieser Unterschied fällt höchstens beim Vergleich von Bälgen auf. Darum ist dieses Unterscheidungsmerkmal für den Beobachter in der Natur unbrauchbar.

Man sollte wissen, dass der Gartenbaumläufer den längeren Schnabel, aber die kürzere Hinterkralle gegenüber dem Waldbaumläufer hat. Gewiss fällt beim Vergleich der Bälge auch auf, dass das Braun des Rückens beim Waldbaumläufer etwas reiner und das des Gartenbaumläufers einen Schein grauer ist, aber was nützt uns diese Kenntnis draußen in der Natur, wenn wir ein so kleines Kerlchen, flink wie eine Maus, einen Baumstamm hoch rutschen sehen – das noch dazu – wenn er sich beobachtet fühlt, schnell hinter dem Stamm verschwindet. Und dass die Unterseite beim Waldbaumläufer in einem reineren Weiß glänzt, können wir ebenfalls kaum sehen, da sie beim kletternden Vogel dem Stamm zugekehrt ist. Wenig verlässlich ist auch die Angabe, dass der Waldbaumläufer das Hügelland bevorzugt. Gewiss sind die geschlossenen Fichten-, Tannen- und Buchenwälder das alleinige Areal des Waldbaumläufers, er besiedelt aber auch die Auwälder der Ebene und trifft hier mit dem Gartenbaumläufer zusammen.

Bis hierher sieht die Sache also wenig ermutigend aus, und man hüte sich, die beiden Baumläuferarten nach den bisher genannten Merkmalen in der freien Natur bestimmen zu wollen. Aber noch haben wir einen Trumpf nicht ausgespielt – die Stimme. Hören wir von einem Baumläufer ein helles klares „tit-tit-tit” zwei-dreimal – unter Umständen noch öfter wiederholt – das trotz seiner Höhe recht laut und eindringlich klingt, dann ist das ein Gartenbaumläufer. Der so hell pfeifende Vogel lässt auch noch ein leises “sit-sit” hören, ganz wie es auch die Meisen tun.

Dann kann es sich auch einmal wie ein feines „srie-srie” anhören, und dann kann es schon wieder der Waldbaumläufer sein. Dem Letzteren ist aber eine leise Stimmäußerung eigen, die schwer in Worte zu fassen ist. Von der Amsel kennen wir auch diesen Laut, vielleicht klingt es wie „sirrb” oder „wirrrb”. Man kann also zusammenfassend sagen: Helles pfeifendes „tit-tit” bringt der Gartenbaumläufer, leises, amselähnliches „wirrrb” oder „sirrb” der Waldbaumläufer. Dazwischenliegende „sit-sit, srie”- Laute sind beiden Arten eigen.

Beide Baumläufer sind Standvögel (Vogelart, die während des ganzen Jahres in der engeren Umgebung ihres Nistortes verweilt – auch Jahresvogel genannt). Wie ihr Name schon verrät, sind die Baumläufer an Stämmen – besonders solchen mit grober Borke – zu Hause. Sie sind in ihrem Körperbau hervorragend an das Herumklettern an Baumstämmen angepasst.

Die Baumläufer sind Rindenspezialisten. Sie verbringen ihr ganzes Leben damit, an Baumrinden zu klettern und nach Insekten, die ihre Hauptnahrung bilden, zu suchen. Sie picken außerdem gerne nach Spinnentieren und Nahrungspartikeln, die sich in der Rinde aber auch in Mauern und Felsen befinden. Pflanzliches Material steht auch auf ihrem Speiseplan. Der leicht abwärts gebogen 12 mm lange Pinzettschnabel hilft ihnen an die hinter der Baumrinde befindliche Nahrung zu kommen. Ihre Füße sind extrem groß und haben kräftige Zehen und scharfe Krallen mit denen sie sich hervorragend an der Baumrinde festkrallen und in kleinen Sprüngen den Stamm spiralförmig aufwärts klettern. Sein Schwanz bietet dabei eine gute Stütze und hilft das Gleichgewicht zu halten. Kopfüber klettert der Vogel, wie wir das vom Kleiber kennen, jedoch nie. Baumläufer bewegen sich an Baumstämmen nur aufwärts und fliegen anschließend an eine andere Stelle unten am vorher abgesuchten Stamm oder an einen anderen Baum. Interessant ist, dass auf diese Art bis zu 300 Bäume pro Tag aufgesucht werden.

In unserer Gegend haben wir es meist mit dem Gartenbaumläufer zu tun, da sein Vorkommen hauptsächlich auf Laub-, Mischwälder, Baumgruppen und Alleen in Flussauen, Parkanlagen, Streuobstwiesen sowie Gärten beschränkt ist. Der Gartenbaumläufer erreicht eine Körpergröße von 12 cm und wiegt etwa 9 bis 11 Gramm. Die Brutsaison findet in den Monaten von Ende März bis Juli statt. Während dieser Zeit kann es zu zwei Jahresbruten kommen. Das Nest wird hinter lockerer Rinde in Baum- oder Rindenspalten, aber auch in Mauerspalten errichtet.

Der Gartenbaumläufer nimmt auch gerne besonders konstruierte künstliche Nistkästen mit einem schlitzförmigen seitlichen Einflugloch an, in die er direkt vom Stamm aus, an dem er hochklettert, durch den Schlitz ins Innere schlüpfen kann. Der Kasten wird so am Stamm befestigt, dass sich die Einschlupföffnung unmittelbar am Stamm befindet. Der Einflugschlitz sollte 3 cm x 7 cm groß sein.

Das Nest wird manchmal in geringer Höhe, aber meist in drei oder vier Meter Höhe über dem Boden gebaut. Es wird außen mit pflanzlichen Überresten (Gräser, Moose) zusammengehalten und ist innen mit feinen Grashalmen, Dunen, Haaren und Federn ausgelegt. Ab Mitte April legt das Weibchen fünf bis sieben Eier ins Nest. Die Eier sind von weißlicher Färbung und weisen braune und rote Flecken, ähnlich der Meiseneier, auf. Das Weibchen wärmt etwa 15 Tage lang allein die Eier. Nach dem Schlupf werden die Küken von dem Männchen und dem Weibchen mit reichlich Nahrung in Form von Insekten und kleinen Spinnentieren 15 bis 17 Tage lang im Nest gefüttert. Die Lebenserwartung des Gartenbaumläufers beträgt unter günstigen Umständen in der Natur zwei bis drei Jahre.

Im Winterhalbjahr sind sie auch als Gäste am Futterhaus anzutreffen, wo sie feine Samen fressen und Fettnahrung bevorzugen. Gartenbaumläufer sind keine sehr geselligen Vögel, schließen sich aber im Winter zu Schlafgemeinschaften zusammen, als Schutz gegen die Kälte. Übrigens den Gartenbaumläufer nennt man umgangssprachlich auch Rindenrutscher, Baumklette, Rindenkleber und Krummschnäbliger.

Mit den zunehmenden Temperaturen suchen die Vögel häufiger die Wasserstelle auf. Da sie nicht nur zum Trinken, sondern auch zum Baden benutzt wird, muss möglichst mehrmals am Tag frisches Wasser nachgefüllt werden. Aber auch auf jede nicht abgedeckte Wasserstelle (auch Pool) soll ein Schwimmbrett gelegt werden, um die Vögel – insbesondere die noch unerfahrenen Jungvögel – vor dem Ertrinken zu bewahren. Dazu eignet sich schon ein Stück Schaumpolystyrol, das auf der Wasseroberfläche schwimmen kann. Ich wünsche Ihnen erfolgreiche Beobachtungen an Ihrer Vogeltränke.

Klaus Rost

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