Heimische Heilpflanzen: Gemeine Fichte

Bild von Jarmila auf Pixabay

Nicht nur Weihnachtsbaum sondern auch eine schon sehr lange und unterschiedlich genutzte Heil- und Nutzholzpflanze ist die Gemeine Fichte (Picea abies). Unter den Namen Dannenboom, Rotfichte, Rottanne oder Gränbaum ist sie ebenfalls bekannt und gehört zur Familie der Kieferngewächse.

Die Fichte kann 300, vereinzelt bis zu 600 Jahre alt werden und Höhen bis zu 50 m erreichen. Der Stamm ist gerade und säulenförmig. Die Nadeln sind dunkelgrün, wachsen rund um den Zweig, sind stechend spitz und vierkantig. Sie werden 4 bis 7 Jahre alt, haben eine Länge von 1 – 2 cm und eine Breite von 1 mm. Beim Nadelabfall verbleibt der mit der Sprossachse verwachsene Blattgrund am Zweig. Deswegen fühlen sich die Zweige raspelig und rau an. Die Blüte kann im Mai beobachtet werden. Männliche und weibliche Blüten sind an einem Baum zu finden. Aus den weiblichen Blüten entwickeln sich längliche hängende Zapfen.

Schon seit Hildegard von Bingen ist die Fichte als Arzneipflanze bekannt. Alte Kräuterbücher berichten, dass das aus dem Fichtenharz gewonnene Terpentin als Einreibung und zur Herstellung von Pflastern bei rheumatischen Beschwerden und Gicht verwendet wurden. Ein aus Fichtenzweigen hergestellter Absud galt als wirksames Mittel gegen Skorbut.

Die Inhaltsstoffe bestätigen die alten Anwendungen. So konnten in den Nadeln ätherisches Öl, Terpentinöle und Harze nachgewiesen werden. Junge Triebspitzen enthalten weniger ätherisches Öl, dafür aber mehr Vitamin C und Gerbstoffe.

Fichtennadeln in unterschiedlicher Zubereitung sind bekannt. Fichtennadelöl aus Nadeln, Zweigspitzen und Ästen wird äußerlich bei rheumatischen und neuralgischen Beschwerden angewendet, es dient als Badezusatz, zur unterstützenden Therapie bei Erkrankungen der Luftwege, bei Verschleimung und zur Desinfektion. Die Fichtennadeln werden Badesalzen und Schaumbädern zugesetzt. Auch Terpentinöl hat sich einen festen Platz in der Volksmedizin erobert. Salben für Menschen und Haustiere werden daraus erstellt, die bei Hautproblemen, zur Förderung der Durchblutung und Linderung rheumatischer Schmerzen eingesetzt werden. Doch Vorsicht, diese Präparate können hautreizend wirken und Blasenbildung hervorrufen! Eine innerliche Anwendung ist umstritten, da Nierenreizungen auftreten können. Sicher fehlt auch in keiner Hausapotheke der Fichtennadelfranzbranntwein.

Junge Triebspitzen, die im Frühjahr geerntet werden, liefern einen aromatischen Tee, würzen erfrischend Salate, Kräuterdips oder Gemüsegerichte. Mit Alkohol angesetzt ist eine Verarbeitung zu Spirituosen möglich, ein süßer Sirup oder mit anderen Früchten gemischt kann ein Aufstrich zubereitet werden. Auch die kleinen, noch weichen weiblichen Zapfen dienen als interessante Nascherei, wenn diese in der Pfanne etwas angeröstet und mit Zucker bestreut werden. Ebenfalls zu nutzen sind die männlichen Blütenknospen als Gewürz für Kraut- und Bratgerichte. Aus den in den Zapfen enthaltenen Samen kann im Herbst ein Öl gepresst werden oder die Samen (ohne Flügel) sind zum Naschen geeignet.

Der Grundgeschmack der weichen Pflanzenteile ist zitronenartig, die ausgereiften Teile schmecken aromatisch nach Nadelbaum. Ein Versuch, die Fichte stärker zu nutzen, ist sicher lohnenswert.

Dr. Hannelore Pohl

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