Eine der ältesten Arzneipflanzen, die uns durch Überlieferungen bekannt ist, ist der Andorn (Marrubium vulgare). Seine Heimat ist Südeuropa. Heute ist er verwildert in ganz Europa anzutreffen. Auch bei uns kann er auf Schuttplätzen, mageren Wiesen oder an Hecken entdeckt werden. Andorn gehört zur Familie der Lippenblütler. Er ist eine ausdauernde, 60 bis 80 cm hohe Pflanze mit einem vierkantigen Stängel und gegenständig angeordneten Laubblättern. Dicht gedrängt stehen die weißen Blüten in den Blattachseln in Scheinquirlen. Die Blütezeit erstreckt sich von Juni bis September.
In der Schulmedizin hat Andorn kaum Bedeutung. Doch sind in dem blühenden Kraut interessante Inhaltsstoffe nachgewiesen worden, die ein breites Anwendungsspektrum ermöglichen. Etwa 0,3 bis 1% Marrubiin, ein bitter schmeckender Stoff, ätherisches Öl, etwa 5 bis 7% Gerbstoffe, Schleime und Harze sind in der Droge enthalten. Die Bitterstoffe wirken positiv bei Leber- und Gallenleiden und bei Appetitlosigkeit. So kann ein Tee (1 bis 2 TL Andorn mit kochendem Wasser übergießen und 10 min. ziehen lassen) oder ein alkoholischer Auszug (Andorn mit Doppelkorn oder Weingeist 2 bis 6 Wochen stehen lassen, dann abgießen) innerlich oder äußerlich angewendet werden. Gegen Husten und andere Erkrankungen der Atemwege, bei Verdauungsbeschwerden, Magen-, Darm- Beschwerden und Gallenproblemen, bei Übelkeit, Völlegefühl sowie Sodbrennen hilft Andorn.
Eine äußerliche Anwendung als Bad, Waschung oder Umschlag ist durch die Gerbstoffe empfehlenswert bei Ekzemen, Geschwüren und Wunden, die nicht heilen wollen. Die vielseitige Nutzung spiegelt sich auch in den Namen wider, unter denen Andorn auch bekannt ist, wie Helfkraut, Lungendank, Weißer Dorant, Mutterkraut oder Mariennessel. Avril Rodway äußerte 1692 in einem Kräuterbuch: “Sirup aus den frischen grünen Blättern von Andorn und Zucker ist eine unübertreffliche Medizin gegen Husten und Lungenpfeifen“. Auch ist es ein Mittel gegen Würmer und Vergiftungen. Wirksam ist die Pflanze ebenfalls als Abführmittel und bei Durchfällen. Paracelsus pries die Pflanze als „Arznei der Lunge“.
In jüngerer Zeit konnte festgestellt werden, dass der Bitterstoff Marrubiin gefäßerweiternd wirkt und Schmerzen stillen kann. Auch ließen Versuche mit Andorn erkennen, dass Schwermetalle (in ehemaligen Quecksilberminen) aus verseuchten Böden extrahiert werden können und so zu einer Entgiftung führen. Andorn wird selten von Schädlingen befallen. So halten derartige Pflanzen schädliche Raupen und andere Insekten fern, wenn sie direkt unter Obstbäume gepflanzt werden.
Der Name Marrubium geht auf das hebräische Wort mar- bitter und rob- viel zurück. Die Bezeichnung Andorn wird mit „ohne Dornen“ in Zusammenhang gebracht.
Wer unter Herzerkrankungen leidet, sollte Andorn nur nach Rücksprache des Arztes anwenden. Auch Schwangere und stillende Mütter sollten bei der Verwendung von Andorn Vorsicht walten lassen. Ansonsten sind keine Nebenwirkungen zu befürchten.
Gehen Sie nicht achtlos an der interessanten Pflanze vorüber!
Dr. Hannelore Pohl